Ein Tag ganz im Zeichen der technischen Hilfeleistung

Der vergangene Samstag stand ganz im Zeichen der technischen Hilfeleistung bei der Feuerwehr Oberkochen. Mit neuen Gerätschaften und externen Ausbildern wurde intensiv geübt. Die Bilanz: neun professionell zerschnittene Fahrzeuge und jede Menge neue Erkenntnisse.

Investitionen in die Zukunft

In den nächsten Jahren stehen große Investitionen bei der Feuerwehr Oberkochen an. Ein neues Blaulichtzentrum sowie ein neues Einsatzfahrzeug sind geplant. Auf letzterem werden neue Gerätschaften zur technischen Hilfeleistung mitgeführt – besser bekannt unter den Namen Spreizer, Schere und Rettungszylinder. Bereits jetzt beginnt die Ausbildung an diesen neuen Geräten, die von einem neuen Hersteller sind und somit eine geänderte Bedienung aufweisen. Der vergangene Samstag war daher vollständig der technischen Hilfeleistung gewidmet.

Warum ist es wichtig, regelmäßig technische Hilfeleistung zu üben?

Neue Materialien und Fahrzeugbauweisen stellen die Feuerwehr vor stetig wachsende Herausforderungen. Wie bei jeder Ausbildung beginnt auch hier alles mit einem Theorieteil. Die Fahrzeugtechnik verändert sich so rasant, dass es unerlässlich ist, stets auf dem neuesten Stand zu bleiben. Immer mehr hochfeste Stähle werden verbaut, was den Einsatz des hydraulischen Rettungsgeräts erschwert. Dazu kommen Airbags, Batterien und viele weitere Faktoren, die den Rettungsprozess gefährlicher für die Feuerwehrangehörigen machen.

Gleichzeitig ändern sich auch die Geräte selbst. Die neuen kommen von einem anderen Hersteller und funktionieren anders. Sie sind akkubetrieben, leistungsstärker und schneller als die bisherigen. Zwar sind sie immer noch schwer, aber durch die fehlenden Kabel deutlich flexibler einsetzbar. Kommandant Bernd Betzler zeigt sich optimistisch: „Mit den neuen akkubetriebenen Geräten können wir schneller und an ganz anderen Orten arbeiten und Menschen in Not noch effizienter helfen.“

Was wurde geübt?

Nach dem theoretischen Exkurs zu neuen Bauformen und Materialien folgte der praktische Teil im Bauhof Oberkochen. Fünf Kameraden hatten im Vorfeld neun Fahrzeuge präpariert, an denen geübt werden konnte. An drei Stationen mit jeweils einem Ausbilder wurden abwechselnd unterschiedliche Szenarien durchgespielt:

  1. ein Fahrzeug, das auf den Rädern steht, aber aufgrund des angenommenen Unfalls seitlich gegen einen Baum geprallt war,
  2. ein Fahrzeug in Seitenlage auf der Beifahrerseite,
  3. sowie ein Fahrzeug, das auf dem Dach liegt.

Jedes Szenario erfordert eine andere Herangehensweise an die Rettung der Insassen. Besonders herausfordernd ist das Fahrzeug in Seitenlage auf der Beifahrerseite. Hier kann der Fahrer schnell ein sogenanntes Hängetrauma erleiden – eine lebensbedrohliche Situation. In diesem Fall geht es vorrangig darum, den Patienten im Gurt zu entlasten. Dies kann durch ein sogenanntes Spineboard erfolgen, welches durch die Windschutzschriebe eingeschoben wird, oder durch einen Feuerwehrschlauch, der durch das Seitenfenster geführt und unter dem Fahrer hindurchgezogen wird. Erschwerend kommt in diesem Szenario hinzu, dass die Rettungsgeräte in großer Höhe eingesetzt werden müssen, was den Kraftaufwand für die Feuerwehrleute erheblich erhöht.

Auch die anderen Szenarien erfordern besondere Techniken: Bei einem auf dem Dach liegenden PKW ist der Zugang zum Fahrer besonders schwierig. Klassische Methoden, wie das Entfernen der Türen oder der Frontscheibe, funktionieren hier nicht. Stattdessen wird das gesamte Dach entfernt, der Patient schonend darauf gelegt und danach samt Dach nach hinten weggezogen.

Wie geht die Feuerwehr grundsätzlich bei der technischen Hilfeleistung vor?

Grundlage ist der sogenannte „Rettungsgrundsatz“. Zunächst wird das Fahrzeug und die Umgebung gesichert, denn Eigensicherung hat oberste Priorität. Die Straße wird vollständig gesperrt, und zeitgleich das Unfallfahrzeug mit Keilen und Stützen stabilisiert, sodass es weder umfallen noch wegrollen kann. Anschließend wird ein Zugang zum Patient geschaffen, damit der Notarzt lebensrettende Sofortmaßnahmen einleiten oder Medikamente verabreichen kann. Erst danach beginnt die eigentliche Rettung – stets in enger Absprache mit dem Rettungsdienst. Sobald der Patient befreit ist, wird er an den Rettungsdienst übergeben.

Ausbildung als wichtiger Grundpfeiler für eine effiziente Personenrettung

„Der Faktor Mensch ist entscheidend“, resümiert Frank Ebbers, Feuerwehrmann und Ausbilder im Ostalbkreis. „Die Geräte allein sind wertlos, wenn wir sie nicht richtig bedienen. Vor allem die Vielzahl an Neuerungen und die stetig wachsende Anzahl an unterschiedlichen Geräten sind dabei eine große Herausforderung.“

Früher sagten Mathelehrer, man müsse die Mitternachtsformel auch dann aufsagen können, wenn der Lehrer den Schüler mitten in der Nacht weckt. Zum Glück ist zumindest mir das nie passiert. Aber es ist eine passende Metapher für die Feuerwehrarbeit: Denn diese muss tatsächlich um Mitternacht, bei Dunkelheit, Regen oder Schnee genau wissen, wie die Geräte funktionieren.

Wichtig ist auch: Übung und Einsatz sind zwei völlig verschiedene Dinge. Im Einsatz geht es um echte Menschen, oft schwer verletzt und eingeklemmt. Das bedeutet zusätzliche psychische Belastung für die Feuerwehrkräfte. Zudem muss es oft sehr schnell gehen, denn laut der „Golden Hour of Shock“ sollte ein Patient spätestens eine Stunde nach dem Unfall in einem Krankenhaus sein. Diese Zeit klingt lang, ist aber in der Realität knapp bemessen – insbesondere, wenn man Alarmierung, Anfahrt, Rettung und Transport in ein passendes Krankenhaus berücksichtigt.